Bergrennen in Deutschland

Vom Start an Vollgas: Top-Nachwuchsfahrerin Claire Schönborn

LÖFFELSCHEID (rsh) Sie ist 25, und sie hat ein abgeschlossenes Studium in Fahrzeug-System-Engineering. Sie ist als Ingenieurin bei einem deutschen Automobil-Zulieferer auf Teststrecken in ganz Europa und weltweit unterwegs. Sie ist selbstständige Renningenieurin im Motorsport.

„Ich habe versucht, mein Hobby zum Beruf zu machen“, sagt Claire Schönborn, „und es ist mir ganz gut gelungen.“

Die junge Fahrerin aus dem Hunsrück ist nämlich ein großes Nachwuchstalent im deutschen Bergrennsport.

Dass sie seit zwei Jahren im KW Berg-Cup Furore macht, ist kein Zufall: Vater Rainer und Mutter Andrea Schönborn fahren beide Bergrennen, und Claire war schon als kleines Mädchen an den Rennstrecken mit dabei. Mit drei Jahren saß sie das erste Mal im Kart. Über Kart-Slalom und Autoslalom im ADAC Slalom Youngster Cup kam sie schließlich mit 21 Jahren an den Berg – später, als sie es sich gewünscht hätte.

„Ich wollte immer Bergrennen fahren“, erzählt sie. „Mein Vater hat mir alles beigebracht, und ich habe ihm schon früh als Mechanikerin geholfen. Kurz bevor ich alt genug war, um in den KW Berg-Cup einzusteigen, hatte er aber leider einen ziemlich schweren Unfall und wollte dann lieber, dass ich noch warte. Nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, hat es endlich geklappt. Zum Glück, denn ich hätte keine Ruhe gegeben!“ Heute sind die Eltern stolz. „Claire lässt es brennen“, postete Rainer Schönborn kürzlich anerkennend unter einem Video von einem ihrer Rennen auf Facebook.

Den roten VW Golf 1 STW, mit dem sie nun in der dritten Saison unterwegs ist, hat Rainer Schönborn 2007 erstmals aufgebaut. „Ich bin mit dem Golf auf Anhieb gut klargekommen“, sagt Claire. „Da hat mein Vater wirklich ein sehr gutes Auto gebaut und es gut abgestimmt.“

Ohnehin ist Vater Rainer ihr großes Vorbild. „Zu ihm habe ich immer aufgesehen.“ Auch von anderen Fahrerkollegen will sie lernen: „Jörg Weidinger zum Beispiel finde ich als Rennfahrer sehr beeindruckend. Seine Ruhe und Gelassenheit möchte ich auch mal erreichen.“

Wo sie sich fahrerisch noch verbessern möchte, weiß sie ebenfalls: „Manchmal bin ich noch etwas zu zaghaft. Da passt mal ein Bremspunkt noch nicht gut oder die Art, wie ich eine Kurve anbremse. Aber das wird mit der Erfahrung sicher kommen.“ Tipps erhält sie auch von ihrem Freund, einem professionellen Rennfahrer, der sie zu den meisten Rennen begleitet.

Claire Schönborns Leistung lässt die Bergszene längst aufhorchen. Ihre erste komplette Saison im KW Berg-Cup beendete sie 2023 als Dritte in der Klasse H bis 2000 ccm und als Sechste im Gesamtklassement.

Schon 2022 gewann sie bei den FIA Motorsport Games auf dem Circuit Paul Ricard in Marseille mit ihrem KW-Berg-Cup-Konkurrenten Marcel Hellberg die Goldmedaille für Deutschland im Autoslalom. In Valencia/Spanien hofft sie sie 2024 erfolgreich verteidigen zu können.  

Auch am Berg hat Claire sich für 2024 ehrgeizige Ziele gesteckt: „Im Gesamtklassement des KW Berg-Cup peile ich die Top 5 an. In der Klasse kommt an Erwin Buck mit seinem VW Scirocco aktuell niemand vorbei, aber ich möchte Zweite werden.“

Gelegentlich erfüllt sie sich einen besonderen Traum: „2023 bin ich beim Trento – Bondone in Italien gestartet. Das stand auf meiner Bucket List, das wollte ich unbedingt machen.“ Das schwierigste Bergrennen Europas in der Nähe des Gardasees mit 17,3 km Länge und rund 180 Kurven ist sofort ihr Lieblingsrennen geworden, und mit 11:31.06 war sie sogar schneller als ihr Vater zwei Jahre zuvor. „Dort das erste Mal hochzufahren, unter dem Jubel der Zuschauer, den man kaum mitbekommt, das war surreal. Die Strecke hat alles – sehr langsame Passagen, sehr technische Abschnitte und auch ein paar Stellen, wo richtig Vollgas drin ist. Nicht zu vergessen die schönen Ausblicke bei der Rückführung.“

Sie hatte sich akribisch vorbereitet. „Ich war vorher ja erst ganz wenige Bergrennen gefahren. Ich habe unzählige Onboard-Videos geschaut und auch am Simulator gearbeitet.“

Es war nicht das erste Mal, dass große Herausforderungen sie erst recht motivierten. „Bei meinem ersten Rennen in Schotten 2022 ist im Training bei 200 km/h angebremst mein ABS ausgefallen, und ich bin geradeaus in der Mauer eingeschlagen. Mein Team konnte zum Glück alles reparieren, und im Rennen bin ich dann sogar unter die Top 10 im Gesamtklassement gefahren. Alle hatten mir zugeredet, direkt wieder ins Auto zu steigen, und das war auch richtig. So verknüpft man im Kopf alles gleich wieder positiv.“

Beim Osnabrücker Bergrennen war Claire Schönborn 2024 zum dritten Mal aktiv dabei und überzeugte. Kein Wunder, denn sie fühlt sich dort wohl: „Die Strecke ist ziemlich cool. Dass man vom Start gleich bis in den sechsten Gang durchlädt, das hat man nicht oft.“ Das macht Bergrennen für sie aus: „Alles muss auf Anhieb funktionieren. Man muss sofort Vollgas geben!“

Text: Ruth Scheithauer