Faustini, Merli und Bratschi beweisen große Nervenstärke
ST. URSANNE (pwy) Geduld und Nervenstärke mussten die letzten und schnellsten Fahrer aus den Feldern der Berg-EM und der Schweizer Rennsportwagen aufbringen, um bei dem erst gegen 20 Uhr zu Ende gegangenen Bergrennen St-Ursanne–Les Rangiers die Entscheidung herbeizuführen. Mehrere zum Teil heftige Unfälle (siehe Schluss meines Berichtes) und technische Defekte hatten den Zeitplan strapaziert.
Robin Faustini wurde seiner Favoritenrolle ab dem ersten Trainingslauf gerecht. Weil er wie seine Landsleute nach offenem Schweizer Reglement fuhr, hatte der Rennwagenmeister gegenüber den EM-Konkurrenten zwar einen Leistungs- und Gewichtsvorteil – aber diesen muss man auf einer solchen Tempostrecke, welche viel Mut, Können, Erfahrung und eben auch Nervenstärke erfordert, auch umzusetzen wissen. Der Aargauer tat dies am Renntag mit zwei Laufbestzeiten, 1’41,381 im 1. RL und 1’40,589 im 2. RL – so schnell war auf dieser Strecke noch kein Schweizer. «Eine schöne Rückkehr, was?», meinte Robin als erstes in Anspielung an seinen Unfall vor zwei Wochen in Osnabrück. «Ich wusste, dass die Bedingungen bei den kühleren Temperaturen am Abend ideal waren. Aber um neuen Streckenrekord zu fahren, hätte ich vorher mit dem Auto mal auf der Rundstrecke testen müssen.» Auch ohne Rekord, der somit bei 1’39,201 bleibt (Merli 2022), erfüllte er sich den Traum des Tagessieges auf der schnellsten FIA-Bergrennstrecke Europas und liess sich als erster Schweizer Gesamtsieger seit Marcel Steiner 2010/11 feiern. Zudem sicherte er sich weitere 25 Punkte in der Schweizermeisterschaft, in der der Titel für ihn bereitliegt. Allerdings folgen Ende August und September noch vier aufeinanderfolgende Bergrennen in Oberhallau, Massongex, am Gurnigel und in Les Paccots, wo es Punkte zu holen gibt.
Hinter ihm lieferten sich die schnellsten Piloten aus der EBM einen fantastischen Dreikampf. Nach dem 1. RL führte nicht einer der bisherigen EM-Tagessieger diese Zeitenliste an, sondern Corentin Starck (Foto oben), den auch ich ehrlicherweise nicht auf der Rechnung hatte. In der Woche zuvor erlitt der Belgier mit dem von Europameister Geoffrey Schatz übernommenen Nova Proto EMAP Turbo am Mont Dore in Frankreich nämlich einen Unfall, den er mit dem reparierten Auto offenbar gut wegzustecken vermochte. Streckenrekordhalter Christian Merli und Kevin Petit folgten nur wenige Tausendstel dahinter. In dem von allen schneller absolvierten 2. RL drehte Merli dann den Spiess knapp um und verwies Starck und Petit in der EM-Wertung auf die Plätze. Faustinis Gesamtzeit aus 2 Läufen betrug 3’21,970, die von Merli 3’24,082. «Es war hart heute gegen die Turbos», gab der mit einem Cosworth-Mader-V8 im Heck seines Nova Proto angetriebene Südtiroler zu. «Kompliment am Robin – er fuhr heute wirklich super und unerreichbar für uns.»
Zweitbester Schweizer war Marcel Steiner mit 1’44,381 und 1’43,225, womit er in der Addition mehr als 5 Sekunden auf Faustini einbüsste, aber in Les Rangiers schon fast so schnell wie zuletzt 2023 mit dem LobArt war (1’43,00). In der NPEA-Wertung aller Nicht-EM-Piloten mischte auch der stets spektakuläre Süddeutsche Alexander Hin in Merlis Osella FA30 schön mit und setzte sich knapp vor Steiner auf den zweiten Rang. Die drittschnellste Schweizer Gesamtzeit erzielte der furios aufgetretene Michel Zemp im Norma mit dem kleinen Helftec-Turbomotor, womit er das Klassenduell gegen Victor Darbellay klar für sich entschied. Schneller in dieser Klasse war einst nur Merli im Werks-Osella-Honda. Joël Volluz war im Norma-Judd V8 nach dem 1. RL ebenfalls ein Anwärter aufs SM-Podium, rollte aber im 2. RL leider mit Motorschaden aus. Auch Thomas Amweg befürchtet einen Motordefekt.
In der EM-Wertung der Tourenwagen feierten Ronnie Bratschi im Mitsubishi und Reto Meisel im Mercedes SLK340 den erhofften Schweizer Doppelsieg (Foto Peter Hartmann). Im 2. RL fuhr zuerst Meisel neuen TW-Rekord, den der für Tschechien startende Urner gleich darauf um fast sieben Zehntel auf 1’53,522 unterbot. Damit gewann Bratschi auch die Gruppe E1, in der nur er eingeschrieben war, mit deutlichem Vorsprung. „Ich vernahm am Start gerade noch die Topzeit von Rozalski, daher wusste ich, dass die Streckenverhältnisse noch ideal war. Vor Grippons hatte ich dann 270 km/h drauf!“ Eine beeindruckende Leistung bot der erstmals in der Schweiz fahrende Pole Grzegor Rozalski, der im 1000-Mitsubishi im 2. RL eine 1’55er-Zeit realisierte, also im Bereich des vorherigen Rekords. In der Gruppe 5 der leistungsschwächsten TW fuhr Martin Bächler im VW Lupo auf den 2. Platz vor Markus Goldbach (D) auf Renault Mégane, Jérôme Nicolet im Peugeot 308 TCR in der Gruppe 4 auf den 3. Platz (von 4).
Leider gab es im Schweizer Feld zwei prominente Unfallopfer, die zum Glück mit dem Schrecken davonkamen. Stephan Burri verunglückte mit dem VW Scirocco am Sonntagmorgen bei der Garage kurz nach dem Start, wobei der VW Scirocco starke Schäden an der Front erlitt. Simon Wüthrich erwischte es in Les Grippons auf brutale Art, seine Golf-Turbiene wurde beim horrend schnellen Aufprall in die Leitplanken mit anschliessendem Überschlag vollständig zerstört. Der Emmentaler trat als Tabellenleader erstmals im Jura an. Neuer SM-Leader ist nun Danny Krieg (Foto unten), der mit dem «kleinen» VW Golf Turbo in der E1 bis 2 Liter in neuer Rekordzeit gewann. Den überraschenden Gruppensieg in der SM-Wertung mit einer persönlichen Traumzeit von 2‘07 holte der unverwüstliche Christoph Zwahlen in seinem „alten“ Porsche GT3! Ihm und allen anderen herzliche Gratulation!
Mehr zu den SM-Klassen lest ihr bei motorsport.ch.
Text: Peter Wyss, Fotos: Peter Wyss, Thomas Bubel





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