Bergrennen in Deutschland

V8 gegen Turbo - Großer Sport in St. Ursanne

ST. URSANNE (pwy) Erst um 19.30 Uhr endete der 3. Trainingslauf zum morgigen Schweizer Berg-EM-Lauf St-Ursanne–Les Rangiers. Kurz zuvor fuhr der Franzose Geoffrey Schatz im nun schwarzen Nova Proto Turbo (1. Video) die absolute Trainingsbestzeit in 1:42.44, die EM-Titelkontrahent Christian Merli im Osella FA30 um knapp eine halbe Sekunde verfehlte. Nach dem zweiten TL lag mit Robin Faustini (ebenfalls Nova Proto Turbo) mit 1:43,74 der schnellste Schweizer an zweiter Stelle, konnte sich jedoch nicht mehr steigern.

Für den 26-jährigen geht es am Sonntag zwar in erster Linie um die Sicherstellung von 25 Punkten für die Schweizer Meisterschaft, die er überlegen vor dem hier zeitlich weit entfernten Thomas Amweg anführt (sein erster Start auf dieser Tempostrecke), aus Prestigegründen will er im Kampf mit den zwei stärksten Europäern möglichst gut aussehen, zumal er über mehr Leistung als diese verfügt. Der nur als Zuschauer anwesende Marcel Steiner (2023 Gesamtzweiter, 2022 Dritter) lässt grüssen…

Zweitschnellster Schweizer war der bereits bestens aufgelegte Michel Zemp, der mit dem Norma mit kleinerem Honda-Helftec-Turbo bereits im Training einen neuen Streckenrekord für Zweiliterautos aufstellte. Joël Burgermeister, sein Gegner im Kampf um den dritten SM-Platz, ist mit dem aerodynamisch und leistungsmässig unterlegenen Tatuus F4 Evo praktisch chancenlos, blieb im 0,6 s Rückstand als schnellster Zweiliter-Rennwagenpilot aber im Nacken.

Noch schneller als Amweg war neben Zemp und Burgi auch Faustinins Papa im Osella FA30, der es als Mit-Fünziger erstmals unter die Marke von 1:50 schaffte – bravo! Immerhin liess er damit Joël Volluz und dessen Osella FA30 hinter sich. In der EM-Wertung lagen der Spanier Joseba Iraola, der quasi in Hugentoblers Alter liegende und daher verblüffend schnelle Alex Hin und der Belgier Corentin Starck mit ihren 1:45er-Zeiten alle innerhalb von sieben Zehnteln – ausser Faustini scheinen die übrigen Schweizer gegen die schnellsten Ausländer nichts auszurichten zu haben.

Bei den geschlossenen Fahrzeugen war Ronnie Bratschi mit seinem Mitsubishi Evo Stec Power einsame Spitze. Schon im zweiten TL verpasste er Reto Meisels TW-Rekord nur um zwei Zehntel, obwohl er gebrauchte Reifen montiert hatte und bei weitem nicht die volle Leistung seines Autos abrief. Wie Zemp verzichtete Bratschi auf den 3. TL. Für Roger Schnellmann wird er mit seinem Mitsu-Bergmonster nur darum gehen, die Schweizer E1-Wertung zu gewinnen und 25 SM-Punkte zu sichern. Dasselbe gilt für Bruno Sawatzki im Porsche in der Gruppe IS.

Mit Michelin-Cup-Strassenreifen (!) auf seinem McLaren fuhr «Speedmaster» bereits einen klaren neuen SuperSerie-Rekord. Nicht nur wegen der halben Punkte mangels Gruppengegner wird dem mehrfachen Schweizermeister dies am Sonntag wohl nix bringen – die Wettervorhersage verspricht in der Nacht auf Sonntag und wohl auch am Morgen des Renntages nämlich Regen. Sollte die Piste abtrocknen, sind neue Rekorde möglich. Die Karten werden aber auf alle Fälle neu gemischt, da es nur zwei Rennläufe gibt und die Zeiten addiert werden. Überraschungen sind also ziemlich sicher.

             Der erwartete Regen im Kanton Jura kam – zum Glück aber nur in der Nacht auf Sonntag. Und so trocknete die 5180 Meter lange Tempostrecke zwischen St-Ursanne und Les Rangiers im Laufe des Tages langsam ab, wobei es bis zum frühen Rennende gegen 16.30 Uhr in der Waldpartie stellenweise feucht blieb. Trotzdem gab es nur wenige Zwischenfälle und in einigen Klassen sogar neue Rekordzeiten.

Chef beim Schweizer Berg-EM-Lauf bleibt Europameister Christian Merli, der im Osella FA30 LRM in beiden Läufen die Bestzeit fuhr. Ihm am nächsten kam wie überall in Europa der Franzose Geoffrey Schatz im Nova Proto Turbo. Eine ebenfalls gute erste Laufzeit und persönliche Bestzeit im zweiten Durchgang fuhr der von Merli betreute Deutsche Alexander Hin, womit er sich verdient den dritten Gesamtrang sicherte.

Die drittschnellste Tageszeit erzielte Robin Faustini mit seinem Nova Proto Turbo im zweiten Lauf (fast genau gleich schnell wie 2023 im FA30). Weil der Aargauer auf stellenweise recht nasser Piste im ersten Lauf bewusst das Tempo drosselte, um den greifbaren Tagessieg in der Schweizer Wertung nicht hirnlos aufs Spiel zu setzen, musste er sich noch hinter dem Spanier Joseba Iraola auf einem weiteren NP Turbo mit dem fünften Gesamtrang begnügen. «Meine Zeit kommt hier schon noch, was mein nächstes grosses Ziel sein wird nach dem SM-Titel», verriet mir Robin. Seine reife Einstellung verbunden mit dem nötigen Talent könnte schon nächsten Sonntag mit der vorzeitigen Sicherstellung der ersten SM-Krone in Oberhallau belohnt werden.

Zweitschnellster Schweizer mit Respektabstand war diesmal Joël Volluz mit seinem Osella FA30 als Gesamtsiebter, gefolgt vom Markengefährten Simon Hugentobler, obwohl Faustinis Papa seine verblüffende Trainingszeit – erstmals unter 1:50 – nicht mehr erreichte. Viertbester Schweizer war Joël Burgermeister als Gesamtzehnter und Sieger der Zweiliter-Rennwagen mit fantastischem neuen Klassenrekord, 3 sec unter seiner Vorjahresbestzeit im Tatuus F4 Evo. Ganz zufrieden war «Burgi» trotzdem nicht, denn wegen eines zu verhaltenen ersten Laufs verpasste er das SM-Gesamtpodium gegen Hugentobler um zwei Tausendstelsekunden. Für Thomas Amweg (5. bzw 11. gesamt) ging es primär darum, die schnellste Strecke im Bergkalender kennenzulernen und nichts kaputt zu machen. Mehr will und kann der angehende Vizemeister dann in Oberhallau und am Gurnigel zeigen.

Eine Klasse für sich war Ronnie Bratschi bei den Tourenwagen, sowohl in der EM-Wertung als auch in der Gruppe E1, in der der für Tschechien startende Urner ebenfalls gemeldet war. Auf stellenweise noch feuchter Unterlage verpasste er den Meisel-Rekord von 2022 nur um vier Zehntel. Ebenso klarer Sieger wurde Roger Schnellmann mit seinem Mitsubishi-Bergmonster in der Schweizer TW-Wertung.
Die schnellste Laufzeit in der Gruppe IS legte Stephan Burri im VW Scirocco hin, wobei er den eigenen Klassenrekord nur knapp verfehlte. Den Gruppensieg krallte sich aber Bruno Sawatzki, wobei er wie seine Porsche-Kollegen von der Wiederholung von Lauf 1 profitierte und mit warmen Reifen im Feuchten daher deutlich schneller war. Ansonsten hätte es gegen Burri eine Niederlage absetzen können. IS-Klassenrekord fuhr Vanessa Zenklusen im Subaru Impreza, mit dem sie Domä von Rotz im schwereren Audi A4 quattro in der Klasse bis 3,5 Liter knapp hinter sich lassen konnte. Schnellster Zweiliterpilot mit Dach überm Kopf war der draufgängerische Sébastien Coquoz, der im Opel Kadett 16V erstmals eine Zeit von unter 2:10 erzielte – chapeau!


Den ersten und fantastischen neuen Rekord fuhr «Speedmaster» im McLaren in der SuperSerie – und dies mit Michelin-Cup2-Strassenreifen. Schade, dass seine Gruppe noch nie voll war, sonst würde es so easy aufs SM-Podium 2024 reichen – und zwar nach ganz oben. Mit extra angefertigten Hoosier-Slicks für den bildschönen Strassensportwagen wird der mehrfache Champion in Oberhallau bei guten Bedingungen bestimmt zu den schnellsten TW/GT-Piloten überhaupt gehören. Wetten, dass…?

von Peter Wyss