Wolsfeld - Azzurro, 60 Jahre und (k)ein bisschen weise
WOLSFELD (jüb) Dieses Pfingst-Wochenende 2024 werden die Wolsfelder so schnell nicht vergessen. Nicht nur, weil es ein Jubiläumsrennen war. Nämlich das 60. Bergrennen um den „Großen Preis der Südeifel“, sondern auch wegen der – wieder mal – besonderen Umstände. Und zwar für alle Beteiligten. Für den Veranstalter, den Eifelmotorsportclub (EMSC) Bitburg. Für die ganze Wolsfelder Dorfgemeinschaft. Für die vielen Zaungäste im Dorf, im Fahrerlager und an den Naturtribünen. Und natürlich vor allem für die Hauptdarsteller: Die Fahrerinnen und Fahrer in ihren „fliegenden Hasenkästen“, ihren Tourenwagen und hochgezüchteten Gruppe C-Sportwagen.
Es klang wie blanker Hohn: Aus dem bunten Eiswagen, der sich direkt an der Nimsbrücke postiert hatte, plärrte Adriano Celentano „Azzurro“ und davor hatte der Himmel aus tiefschwarzen Wolken seine Schleusen geöffnet. Aber frag nicht wie! „Das ist gleich vorüber. War im Regenradar angesagt.“ Der Kommentar aus dem großen Orga-Team der Wolsfelder für dieses Mammut-Sportereignis der deutschen und luxemburgischen Bergmeisterschaft war kein bisschen von Besorgnis gekennzeichnet. In 60 Jahren Bergrennen haben alle Beteiligten zu viel erlebt, als dass ein heftiger Schauer, begleitet von ein bisschen Gewitter-Gegrummel, hätte für blankes Entsetzen sorgen können.
Angefangen hatte alles schon am Freitag, aber im Dorf sind sie halt auf alles gefasst. „Ich stehe hinten im Fahrerlager, da wo der Matsch am tiefsten ist. Aber THW und Feuerwehr hat uns schon mit Hackschnitzel versorgt. Ich wäre gar nicht mehr rausgekommen“, erzählte Thomas Ostermann. Der Fahrer der Quadriga Treverorum hatte seinen BMW („Den hab ich fünf Jahre nicht mehr gefahren“) wieder komplett neu aufgebaut. Und war naturgemäß im ersten Trainingslauf am Sonntag sehr vorsichtig.
Wer konnte, der machte an diesem Wochenende um das übliche Fahrerlager, einer großen Wiese hinter dem Dorf, einen Bogen und suchte sich irgendwo im Dorf noch ein Plätzchen. Irgendwas auf festem Untergrund. Und die Wolsfelder sind hilfsbereit. Sie wissen, was an Pfingsten los ist, kaum jemand, der nicht in diesen Event irgendwie eingebunden ist. Ein Stückchen Hof, ein bisschen Garageneinfahrt, irgendwo findet sich immer noch was ohne schlammigen und matschigen Untergrund.
Auch Orts- und VG-Bürgermeisterin Janine Fischer, die mit ihrer Familie wunderschön mitten im Dorf in der umgebauten alten Schule wohnt, begrüßt seit vielen Jahren Teilnehmer aus dem Saarland auf ihrem angrenzenden Hofgelände. Nach eigenen Angaben, mit Motorsport „eigentlich nix am Hut“, steht sie doch voll und ganz hinter der Veranstaltung. „Weil dieses Rennen ein großartiges Beispiel für den Zusammenhalt im Ort ist und weil wir ja auch davon profitieren, wenn kein Bergrennen ist“.
Das Bergrennen habe den Namen der Gemeinde in über 60 Jahren auch international bekannt gemacht und setze demzufolge auch touristische Akzente. „Natürlich“, bestätigt die Bürgermeisterin, „ist nicht jeder im Ort mit dem Rennen einverstanden. Vor allem solche, die neu hierhin gezogen sind. Aber es ist auch eine wunderbare Gelegenheit, sich zu integrieren. Und außerdem: Mein Gott, es sind drei Tage. Und am Dienstagabend sieht man nichts mehr davon.“
In der Zwischenzeit hatten Rennleiter und EMSC-Präsident Björn Hoffmann und sein Vorgänger Christoph Schackmann als Leiter der Streckensicherung alle Hände voll zu tun. Kein Wunder, denn die Beschaffenheit der Strecke änderte sich regelmäßig. Auf trockene Phasen am Himmel folgten kurze, aber heftige Regengüssen. Mal rutschte einer der Teilnehmer vom Kurs, musste geborgen werden, mal hatte ein anderer technische Probleme auf dem 1,64 Kilometer langen Weg nach oben. Dann ertönte lautstark die Sirene und der mobile Eingreiftrupp setzte sich in Bewegung. Alles Prophylaxe größtenteils, aber im Motorsport gilt halt: „Safety first – Sicherheit zuerst“.
Auf den schon am Sonntag bei den Trainingsläufen gut besetzten Naturtribünen entlang der Strecke ertrug man die jeweiligen Unterbrechungen mit viel Phantasie, um sich die Zeit zu vertreiben. Die meisten Fans sind halt Bergsport-erfahren. Und entsprechend resistent. Der guten Stimmung tat es auch keinen Abbruch, als Streckensprecher Thomas Bubel aus Homburg, ein erfahrener Bergrenn-Experte, nach dem nächsten Guss erklärte: „Die meisten stehen mit Slicks unten im Vorstartbereich. Wir geben den Teams jetzt 20 Minuten Gelegenheit zum Reifenwechsel.“
Die Frage ob man dennoch gut in der Zeit liege, beantworteten Hoffmann und Schackmann mit entspannter Ruhe. „Wir fangen um acht Uhr morgens an. Beim Bergrennen gibt es keinen Zeitplan. Das liegt in der Natur der Sache““, erklärt Rennleiter Björn Hoffmann. Und Schackmann, den ohnehin nichts aus der Ruhe bringen kann, fügte an: „Was nützt uns der beste Zeitplan, wenn der Vorletzte das Auto verliert und es danach ein Gewitter gibt. Gar nix.“
In Wolsfeld sind sie nach 60 Jahren – frei nach Curd Jürgens – halt mehr als nur ein bisschen weise geworden.“ Sie nehmen‘s halt, wie es kommt, aber sie sind auf alles vorbereitet.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun
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